gsz. Jerusalem, 8. April
Anfang dieser Woche ist ein neues jüdisches Quartier
in Ostjerusalem von israelischen Familien in Besitz genommen worden.
Die Überbauung wurde von einem amerikanischen Millionär
finanziert, der seine politischen Überzeugungen in Bezug auf
Jerusalem mittels Bauprojekten zum Ausdruck bringt. Durch
strategisch placierte Überbauungen im Ostteil Jerusalems solle eine
mögliche spätere Teilung der Heiligen Stadt - laut vielen
Beobachtern ein entscheidender Punkt zur Lösung des Nahostkonflikts
- zum Vornherein verunmöglicht werden.
Ungleiche Ellen
Schon beim Kauf des Grundstücks vor zwölf Jahren
durch den in Florida lebenden amerikanischen Millionär Irving
Moskowitz waren schwere Unruhen und Demonstrationen der arabischen
Anwohner ausgebrochen. Das Grundstück auf dem Südhang des Ölbergs
befindet sich seit etwa 130 Jahren in jüdischem Besitz. Es wurde im
späten neunzehnten Jahrhundert von jüdischen Philanthropen mit dem
Ziel erworben, an der Stelle eine jüdische Schule einzurichten. Später
wurde das Grundstück an die Schule überschrieben. 1984 bestätigte
das israelische Oberste Gericht die Besitzverhältnisse. Moskowitz
erwarb das Grundstück im Jahre 1990 rechtmässig von den damaligen
Eigentümern.
Die Wohnsiedlung liegt am Rande des arabischen
Quartiers Ras al-Amud. Bis jetzt sind 35 Familien in die 51 fertig
gestellten Wohnungen eingezogen. Weitere 68 Wohnungen befinden sich
noch im Planungsstadium. Die Enklave ist von einer Mauer umgeben,
und die Zugänge werden Tag und Nacht von bewaffneten
Sicherheitsleuten bewacht. Am vergangenen Wochenende organisierte
die Friedensbewegung Peace Now eine Manifestation gegen die
Besiedlung des neuen Wohnquartiers. Linke Israeli bezeichnen den
Einzug israelischer Bürger in das vollständig von Arabern bewohnte
Quartier als Provokation.
Französische und amerikanische Generalkonsuln
versuchten daraufhin den interimistischen Bürgermeister von
Jerusalem, Uri Lupoliansky - der bisherige Stadtpräsident Ehud
Olmert musste sein Amt mit der Einsitznahme in der Knesset und der
Regierung aufgeben -, dazu zu bewegen, den Einzug israelischer
Familien in die Wohnungen zu verhindern. Lupoliansky erwiderte
jedoch, dass keine Möglichkeit bestehe, den Familien die
Besitznahme der Wohnungen zu verweigern, da die rechtlichen Verhältnisse
in Ordnung seien.
Zur gleichen Zeit, da die Familien in das neue
Quartier einzogen, wurden in dem unweit gelegenen arabischen Dorf
Issawiya, das sich innerhalb der Stadtgrenzen von Jerusalem
befindet, vier Häuser auf richterliches Geheiss niedergerissen, da
sie ohne Baubewilligungen erstellt worden seien. Arabische Bewohner
der Stadt behaupten, dass ihre Baugesuche von den Behörden routinemässig
abgelehnt oder auf die lange Bank geschoben würden, so dass sie zu
unbewilligten Bauarbeiten Zuflucht nehmen müssten. Gleichzeitig würden
provokative Projekte, wie dasjenige von Moskowitz, mühelos
bewilligt.
Neue Zürcher Zeitung, 9.4.2003, International,
Nr. , S.6