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Artikel der NZZ vom 14. Mai 2002 |
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Israel kontrolliert 42 Prozent des Landes in Cisjordanien
gsz. Jerusalem, 14. Mai
Ausmass der israelischen Besiedlung
Die israelische Menschenrechtsorganisation Betselem hat
am Montag in Jerusalem einen Bericht vorgestellt, in dem
sie die geographische Situation der jüdischen Siedlungen
in Cisjordanien analysiert. Trotz der Entlassung
palästinensischer Agglomerationen in die Autonomie
behalte sich Israel die Kontrolle über grosse Landstriche
vor. Laut dem Bericht stellt die bebaute Fläche in jüdischen
Siedlungen zwar weniger als 2 Prozent des Gebietes dar,
doch kontrolliert Israel etwa 42 Prozent von Cisjordanien.
35 Prozent ist unentwickeltes und unbebautes Land, das
der Jurisdiktion der von Israel eingesetzten
Regionalbehörden untersteht. Der Rest, 7 Prozent, wird
von den lokalen Munizipalitäten kontrolliert. Etwa ein
Viertel des letzteren Gebietes, was etwa 95
Quadratkilometern entspricht, ist mit israelischen Bürgern
besiedelt. Der Rest werde für Siedlungserweiterungen in
Reserve gehalten. Da die Siedlungen von Israel als
Entwicklungszonen definiert sind, erhalten die dortigen
Siedler grosse Steuererleichterungen und andere
Vergünstigungen.
Laut Angaben der Organisation wollte die
Ziviladministration der israelischen Armee zuerst keine
Angaben zu den geographischen Gegebenheiten machen
und lieferte die für den Bericht benötigten Daten erst,
nachdem Betselem gerichtliche Schritte angedroht hatte.
Der Bericht sieht in den jüdischen Siedlungen eine
empfindliche Behinderung für die Entwicklung
Cisjordaniens, da sie palästinensische Ortschaften oft
regelrecht einkreisten. Als Beispiele führt Betselem die
Stadt Nablus an, die im Umkreis von etwa fünf Kilometern
von der Siedlung Alon Moreh im Nordosten, von Itamar im
Südosten, von Har Braha und Yitshar im Süden, von
Kedumim im Westen und von Shavei Shomron im
Nordwesten umgeben wird.
Staatsbildung verunmöglicht
Wegen der für die Siedler gebauten Umfahrungsstrassen
sind manche Palästinenser gezwungen, grosse Umwege zu
fahren, um von einer Ortschaft in den Nachbarort zu
gelangen. Mehrere von der palästinensischen Behörde
verwaltete Ortschaften seien autonome Enklaven inmitten
von israelisch kontrolliertem Gebiet. Die Organisation
befürchtet, dass durch die Zerstückelung Cisjordaniens
dort nie ein lebensfähiger Staat entstehen kann. Durch die
israelische Landnahme sei, so Betselem, eine Situation
entstanden, in der auf gleichem Raum zwei verschiedene
Rechtssysteme existierten, die - je nach der Nationalität
des Einwohners - in verschiedener Weise angewendet
würden.
Neue Zürcher Zeitung, Ausland, 14. Mai 2002
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