Saddam Hussein - jahrelang auch vom Westen aufgerüstet
Vor 1990 hatte der Herrscher in Bagdad weltweit willige
Helfer
In den siebziger und achtziger Jahren ist
der Irak von vielen westlichen Regierungen als Geschäftspartner
umworben worden. Frankreich, Deutschland und andere europäische
Staaten lieferten massenweise Rüstungsgüter an das Regime in Bagdad.
Dabei fand ein gefährlicher Know-how-Transfer im Bereich der
ABC-Waffen statt. Nach dem Sturz des Schahs in Iran 1979 unterstützten
auch die USA Saddam Hussein.
spl. Auch wenn die Staatenwelt in der Frage, ob ein
Krieg gegen den Irak geführt werden soll, zerstritten bleibt, besteht
doch weitgehende Einigkeit darüber, dass der Sturz des Regimes in
Bagdad wünschenswert ist. Saddam Hussein ist einer der schlimmsten
Diktatoren dieser Welt. Die Liste seiner Greueltaten gegen Feinde und
Abtrünnige, aber auch gegen die eigene Bevölkerung ist lang, und
wenn die Iraker nicht durch einen der repressivsten Überwachungsapparate
überhaupt in Schach gehalten würden, käme wohl noch viel
Schrecklicheres zutage. So ist aus heutiger Sicht kaum mehr
vorstellbar, dass auch westliche Staatsmänner den irakischen Despoten
vor nicht allzu langer Zeit hofierten. Noch in den achtziger Jahren
gaben sich Vertreter europäischer Regierungen in Bagdad die Klinke in
die Hand, und auch die USA bemühten sich um gute Beziehungen zu
Saddam Hussein.
Vielversprechender Geschäftspartner
Nach dem Sturz der probritischen Monarchie 1958 verbündeten
sich die verschiedenen arabisch-nationalistischen Regime im Irak mit
der Sowjetunion, die USA unterstützten die Herrschaft des Schahs in
Iran. Mitte der siebziger Jahre stoppte die UdSSR dann aber zeitweilig
ihre massiven Waffenlieferungen an den Irak. Zudem verfolgte sie eine
restriktive Exportpolitik im nuklearen Bereich und verweigerte Bagdad
gewünschte Lieferungen zur Atomwaffenproduktion. Da sich die
irakische Führung nicht ausschliesslich von dem Verbündeten aus dem
Ostblock abhängig machen wollte und sich zudem in den
arabisch-israelischen Kriegen die westlichen Waffensysteme als überlegen
erwiesen hatten, sah sie sich nach neuen Verbündeten um.
Durch die Verstaatlichung der Erdölwirtschaft war das
Land an Euphrat und Tigris zu einem lukrativen Markt geworden. Als
zweitgrösster Exporteur gewann es finanziell und politisch an Statur.
Das Regime der 1968 an die Macht gelangten Baath-Partei unter Hasan
al-Bakr und Saddam Hussein wurde vom Westen als vielversprechender
Geschäftspartner wahrgenommen. So liessen neue Waffenlieferanten
nicht lange auf sich warten. In Erwartung hoher Gewinne wurden auch
gerne beide Augen zugedrückt, wenn es um Menschenrechtsverletzungen
ging.
Ein französischer Atomreaktor
Zu einem der wichtigsten westlichen Partner wurde
Frankreich. Die Franzosen hatten selbst im Nuklearbereich weniger
Hemmungen als die Sowjets. Mitte der siebziger Jahre schloss
Premierminister Jacques Chirac bei einem Besuch in Bagdad einen
Vertrag über die Lieferung eines Atomreaktors ab. Das irakische
Regime hatte grosses Interesse an der Zusammenarbeit mit einer
fortschrittlichen Industrienation im Nuklearbereich, da die irakische
Wissenschaft diesbezüglich im Hintertreffen war. Der 1979 gelieferte
französische Reaktor Osirak sollte mit hochangereichertem Uran, das
auch für den Bau von Atomwaffen von grossem Interesse war, betrieben
werden. Er wurde allerdings nie in Betrieb genommen; 1981 wurde er
durch den israelischen Luftangriff zerstört. Ab 1977 lieferte
Frankreich auch konventionelle Waffensysteme an den Irak, wie etwa
Exocet-Marschflugkörper und Mirage-Kampfflugzeuge. Mit dem irakischen
Einmarsch in Iran im September 1980 stieg die Nachfrage nach Rüstungsgütern
weiter an. In den ersten Jahren des iranisch-irakischen Krieges soll
der Irak allein in Frankreich Waffen im Wert von über 10 Milliarden
Franken gekauft haben.
Auch deutsche Rüstungskonzerne machten in diesen Jahren
gute Geschäfte mit Saddam Hussein. Viele in den Irak gelieferte
Waffensysteme waren nämlich deutsch-französische
Gemeinschaftsproduktionen. Wegen der restriktiven deutschen
Exportregelungen wurden sie über Frankreich vermarktet. Offiziell gab
es sonst keine deutschen Rüstungsexporte, doch über verschlungene
halblegale oder illegale Wege fanden zahlreiche Rüstungsgüter den
Weg in den Irak. Eine deutsche Spezialität war die Lieferung von
Dual-Use-Gütern, die für zivile wie auch militärische Zwecke
genutzt werden konnten. So lieferten deutsche Firmen etwa Maschinen
und Bauteile für die chemische Industrie, die Saddam in seine
Giftgasproduktion umleitete. Anfang der achtziger Jahre bauten
deutsche Unternehmen bei Samara ein grosses Chemiewerk. Dort sollten
nach offiziellen Angaben Pestizide entwickelt werden, in Wirklichkeit
wurden aber grosse Mengen kriegstauglicher toxischer Stoffe
produziert.
Der Irak als Bastion gegen Khomeiny
Der Einsatz chemischer Waffen spielte vor allem gegen
Ende des iranisch-irakischen Krieges eine entscheidende Rolle. Als der
Irak 1983 erstmals chemische Waffen gegen iranische Truppen einsetzte,
verurteilte die amerikanische Regierung dies und forderte von den
europäischen Verbündeten schärfere Exportkontrollen. Sanktionen
gegen das Regime Saddam Husseins lehnten allerdings auch die
Amerikaner ab. Selbst als die irakische Luftwaffe 1987 C-Waffen gegen
die im eigenen Land lebende kurdische Minderheit einsetzte, blieben
scharfe internationale Proteste aus. Während der militärischen
Offensive gegen die kurdische Minderheit im Norden des Landes sollen
zwischen 1987 und 1989 200 000 Kurden getötet und 1,5 Millionen
vertrieben worden sein.
Nach dem Sturz des Schahs in Iran 1979 bemühten sich
auch die Amerikaner um bessere Beziehungen zum irakischen Regime. 1982
wurde der Irak von der Liste jener Länder gestrichen, die nach
Ansicht der USA den Terrorismus unterstützten, und in der Folge wurde
dem Irak umfangreiche Wirtschaftshilfe gewährt. Auch Materialien
wurden geliefert, die für militärische Zwecke genutzt werden
konnten. Der wichtigste Faktor der amerikanischen Unterstützung war
aber sicherlich die Versorgung mit Geheimdienstinformationen. Im Krieg
gegen Iran waren Satellitenbilder der CIA für den Irak von grossem
Nutzen.
Die Aufmerksamkeit in der westlichen Öffentlichkeit war
nach der Islamischen Revolution in Iran auf die Greuelgeschichten aus
dem Reich Khomeinys gerichtet. Man war irritiert über die zwangsweise
Islamisierung der iranischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.
Mit der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran im November
1979 war das Verhältnis zwischen Iran und den USA an einem Tiefpunkt
angelangt. Während 444 Tagen wurden 55 amerikanische Bürger in
Geiselhaft gehalten. Der gesamte Westen war danach den iranischen
Mullahs gegenüber derart feindselig eingestellt, dass jede Kritik am
Irak tabu war. Niemand hinterfragte die massive Aufrüstung Saddam
Husseins, solange diese dem Kampf gegen den verhassten Revolutionsführer
Khomeiny diente. Allerdings hinderte der klare Positionsbezug der
westlichen Regierungen europäische und amerikanische Rüstungsunternehmen
nicht daran, auch mit Iran lukrative Geschäfte zu machen. Wie 1986 im
Iran-Contra-Skandal bekannt wurde, war auch die Administration Reagan
über von Israel vermittelte Kanäle in einen Waffenhandel mit Iran
verstrickt.
Von sämtlichen westlichen Staaten wurde der
Aggressionskrieg des Iraks gegen das Nachbarland unterstützt oder
zumindest wohlwollend geduldet. Man befürchtete, die iranischen
Mullahs könnten den strategisch wichtigen Golfraum erobern und damit
die wichtigsten Erdölvorkommen der Welt kontrollieren. Neben
Frankreich und Deutschland rüsteten in diesen Jahren zahlreiche
andere europäische Staaten - so etwa Grossbritannien und Italien -
Saddam Hussein auf. Trotz seinen Verbindungen zu den USA wurde der
irakische Diktator auch weiterhin von der Sowjetunion unterstützt,
und auch die Ölstaaten am Golf griffen Bagdad mit Finanzmitteln unter
die Arme.
Gefährlicher Transfer von Know-how
Nach dem Waffenstillstand im Sommer 1988 bemühte sich
der Westen weiter um gute Beziehungen zum irakischen Regime und setzte
die Waffenlieferungen unbeirrt fort. Der Irak war zu diesem Zeitpunkt
mit moderner Waffentechnologie ausgerüstet. Bereits bei der Ablösung
des Präsidenten al-Bakrs durch Saddam Hussein 1979 hatte sich das
Land weltweit an die Spitze der Rüstungsimporteure gesetzt. 1990 war
die Truppenstärke auf eine Million angewachsen; die irakische Armee
war besser ausgerüstet als die Armeen Irans, Syriens und sämtlicher
Golfmonarchien. Nach Schätzungen des International Institute for
Strategic Studies gab das Land zu diesem Zeitpunkt ein Viertel seines
Bruttoinlandprodukts für militärische Zwecke aus.
Unter der Administration Bush Vater erreichten die
amerikanisch-irakischen Beziehungen ihren Höhepunkt. Washington
hoffte, mit Saddam Hussein einen wertvollen Verbündeten in einer
geostrategisch wichtigen Region aufbauen zu können. Zwar gab es auch
in den USA Stimmen, die vor dem Diktator in Bagdad warnten, doch
erkannten Geheimdienste und Think-Tanks erst mit dem irakischen
Einmarsch in Kuwait am 2. August 1990, dass Saddam nicht der vernünftige
und willige Verbündete war, auf den man zählen konnte.
Der Überfall auf Kuwait führte zu einer radikalen
Wende in der amerikanischen und europäischen Irak-Politik. Die
Kontrollen bezüglich Waffenlieferungen wurden verschärft. Saddam
Hussein, jahrelang gern gesehener Gast in Ost und West, wurde im
offiziellen Sprachgebrauch zu einem der gefährlichsten Männer der
Welt. Es kursierten Gerüchte - die sich später bestätigten -, dass
er an einer Atombombe baue und über grosse Lager von biologischen und
chemischen Waffen verfüge. Durch den jahrelangen Transfer von
Know-how im Bereich konventioneller wie auch der ABC-Waffen hatte der
Irak seine Rüstung auf einen hohen technischen Stand gebracht. Die
irakischen Wissenschafter, viele von ihnen waren im Westen ausgebildet
worden, waren damals selbst in der Lage, biologische, chemische und im
schlimmsten Fall sogar nukleare Waffen zu entwickeln.