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  Nachricht  ZDF vom 13. März 2003
FALSCHE BEWEISE   Skandal um Geheimdienst-Dokumente


Große Aufregung um gefälschte Dokumente, die ein vermeintliches
Atomprogramm des Irak betreffen. Wie der Leiter der Atomenergiebehörde
Mohamed el Baradei in einem Interview mit Frontal21 bestätigt, handelt es
sich bei den Geheimdienstpapieren über eine geplante Uranlieferung an
Saddam Hussein um grobe Fälschungen.


Während in New York noch um Krieg oder Frieden gerungen wird, warten die
Soldaten darauf, gegen den Irak loszuschlagen.

Der Vorwurf
Ein zentraler Grund, der diesen Krieg rechtfertigen soll, ist das
angebliche Atomwaffenprogramm der Regierung in Bagdad. Der britische
Geheimdienst hatte Beweise dafür vorgelegt, dass der Irak vor kurzem noch
versucht habe, sich Uran aus dem afrikanischen Staat Niger zu besorgen.

Die Sprecherin der internationalen Atomenergiebehörde Melissa Fleming: "Das
war ein sehr schlimmer Vorwurf, den wir da bekommen haben. Das war das
einzige was mit nuklear zu tun hat, also direkt mit einem Versuch
Atommaterial zu bekommen. Das war eigentlich der ernsthafteste Vorwurf."

Wien, der Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde. Die Fachleute haben
herausgefunden, wie die Weltöffentlichkeit getäuscht werden sollte. Der
Chef der Organisation bestätigt die plumpe Fälschung.

Plumpe Fälschung
Mohamed el Baradei: "Die Beweise die wir geprüft haben, über die
Anstrengungen des Irak, Uran in Niger zu besorgen, haben sich als Fälschung
herausgestellt. Die Papiere die wir bekommen haben, waren nicht echt,
reichten nicht aus, um einen Verdacht zu begründen."

Die erstaunliche Karriere dieser plumpen Fälschung beginnt irgendwann im
vergangenen Sommer in Rom. Wie Frontal21 aus UNO-Kreisen erfuhr, trifft
sich dort ein unbekannter Informant mit einem italienischen Geheimagenten.
Der Informant übergibt dem Agenten mehrere Briefwechsel zwischen dem Irak
und Behörden des afrikanischen Landes Niger.

Das Dossier
Die Briefe sollen dokumentieren, dass der Irak Uran aus Nigers Minen
kaufen will. Das wäre ein gravierender Verstoß gegen die UN-Resolutionen,
und ein Beleg dafür, dass der Irak versucht Atomwaffen zu bauen. Über
italienische und französische Behörden erfahren dann auch die britischen
und amerikanischen Geheimdienste von den Briefen. Die erkennen die Brisanz
sofort und plötzlich tauchen die vermeintlichen Beweise an höchster Stelle
als Wahrheit auf.

Am 24. September stehen Details der Briefe im sogenannten Blair-Dossier,
ein Papier, mit dem die britische Regierung Saddams Gefährlichkeit beweisen
will.

Der britische Premierminister Tony Blair: "Sein chemisches, biologisches
und atomares Waffenprogramm ist kein historisches Überbleibsel, das die
Inspektoren nur noch aufräumen müssten. Sondern es ist nach wie vor aktiv
und entwickelt sich weiter."

Irak legt Rüstungsbericht vor
Im Dossier auf das Blair sich bezieht, heißt es wörtlich: "Aufgrund der
Geheimdienstinformationen urteilen wir, dass der Irak versucht hat,
bedeutende Mengen Uran aus Afrika zu beziehen, obwohl der Irak kein
laufendes ziviles Atomkraftprogramm hat, das dies notwendig machen würde."

Doch damit beginnt die Karriere der Fälschung erst. Sofort nach bekannt
werden, fordern die UN-Waffeninspektoren den Bericht samt Beweisen zur
Prüfung an.


Dann im Dezember, drei Monate später, legt der Irak, wie von der UNO
gefordert, seinen Rüstungsbericht vor. Die amerikanische Regierung aber
kritisiert den Bericht sofort, wirft dem Irak vor, wichtige Informationen
darin zu verschweigen. Als Beweis führen die USA ausgerechnet die
Informationen aus den dubiosen Briefen an, die in Italien übergeben wurden,
sprich die Fälschungen.

In einer öffentlichen Stellungnahme des amerikanischen Außenministeriums
heißt es: "Beispiele für Auslassungen im Waffenbericht des Irak gegenüber
dem Uno Sicherheitsrat: Beispiel Nuklearwaffen. Der Bericht verschweigt
Bemühungen [des Irak] sich Uran aus dem Niger zu beschaffen. Warum
verheimlicht das irakische Regime die Beschaffung von Uran?"

Beweise sollen Krieg legitimieren
Und schließlich der Höhepunkt bei der Veröffentlichung der Fälschungen. Am
28. Januar schwört George Bush in seiner Rede zur Lage der Nation vor dem
Kongress die amerikanische Öffentlichkeit auf einen Krieg gegen den Irak
ein. Unter anderem mit folgender Begründung: "Die britische Regierung hat
erfahren, dass Saddam Hussein vor kurzem versucht hat, in Afrika bedeutende
Mengen Uran zu kaufen. Von unseren Geheimdiensten wissen wir, dass er
versucht hat, Aluminiumröhren für die Herstellung von Atomwaffen zu
beschaffen. Saddam Hussein hat seine Aktivitäten bisher nicht glaubhaft
erklären können. Er hat offensichtlich viel zu verbergen."

Also noch einmal: Der amerikanische Präsident und der britische
Premierminister behaupten öffentlich, dass der Irak ein gefährliches und
verbotenes Atomwaffenprogramm betreibt. Die Briefwechsel zwischen dem Irak und den Behörden des Niger dienen dafür als zentrale Beweise. Nur, die
Beweise haben, wie gesagt, einen Schönheitsfehler: Sie sind stümperhafte
Fälschungen.

Fälschungen als Beweise
Melissa Fleming: "Wir haben einfach überprüft ob das alles gestimmt hat.
Wir haben ein Datum auf dem Briefkopf, wir wussten, dass es ziemlich oft
Regierungswechsel in dem Land gegeben hat, ob das alles zusammengepasst hat- und das hat nicht zusammengepasst zu dem Datum. Es gab zu dem Datum einen anderen Briefkopf und einen anderen Minister - plumpe Fälschung."

Plumpe Fälschungen als Beweise für die Weltöffentlichkeit. Dass die
amerikanischen Geheimdienste ihrem Präsidenten Beweise vorgelegt haben
sollen, die sie selbst vorher nicht überprüft haben, hält Wolbert Smidt für
völlig ausgeschlossen. Er war bis 2001 erster Direktor des
Bundesnachrichtendienstes. Solche Beweise zu überprüfen, gehöre zum
Einmaleins des Spionagegeschäfts.

Wolbert Smidt: "Ist der Briefkopf in Ordnung, entspricht die Unterschrift
der Unterschrift, die normalerweise von einem solchen Minister gegeben
wird, ist die Schrifttype so, dass sie der Regel entspricht. In diesem
Zusammenhang muss ich sagen, dass jeder seriöse und leistungsfähige
Geheimdienst über eine Fülle an Material verfügt, mit dessen Hilfe er
überprüfen kann, ob ein Dokument echt ist oder nicht."

Gefälschte Briefe, abgeschriebene Zeitschriftenartikel
Eigentlich also alles ganz einfach. Doch dass Amerikaner und Briten
derzeit vieles unternehmen um Beweise zu liefern, die einen Krieg
legitimieren, zeigt ein weiteres Dossier.

Anfang Februar veröffentlichte die britische Regierung ein Papier, das
belegen sollte, mit welchen Methoden der Irak die Waffeninspektoren an der
Nase herum führt. Doch auch hier ein kleiner Schönheitsfehler.

Die meisten Informationen sind älter als zehn Jahre, entdeckte Irak-Experte
Glen Rangwala von der Cambridge University. Der Bericht - zum größten Teil
abgeschrieben aus der Arbeit eines amerikanischen Studenten - und zwar bis
auf die Kommafehler. An entscheidenden Stellen aber wurde der Text
verschärft.

Glen Rangwala: "Im Originalartikel heißt es, dass die Aktivitäten einer
bestimmten Organisation dazu dienen, Oppositionsgruppen in feindlichen
Regimen zu unterstützten. Im britischen Regierungsdossier wurde daraus die
Unterstützung von terroristischen Gruppen in feindlichen Regimen. Sie haben
einfach ein paar Wörter geändert um zu zeigen, dass diese Organisation sehr
viel gefährlicher ist als im Original-Artikel."

Bedenken weggewischt
Gefälschte Briefe, abgeschriebene Zeitschriftenartikel, an denen dann auch
noch manipuliert wurde, sollen also als Beweise für einen Krieg herhalten.
Haben die Führer der Kriegskoalition also in ihrem Wunsch nach
Rechtfertigungen für den Krieg bewusst gelogen und Bedenken weggewischt
oder aber haben die Geheimdienste versagt?

Für Wolbert Smidt ist die Sache klar: "Wenn erst mal eine Information in
die Hände der Politik gerät, dann nimmt sie ihren eigenen Lauf, dann ist
sie durch die Dienste nicht mehr kontrollierbar und dann obsiegen einfach
die politischen Interessen." Und die politischen Interessen der USA und
Großbritanniens zeigen sich jeden Tag an den Grenzen zum Irak.

Das Nachrichtenangebot des ZDF finden Sie unter

http://www.zdf.de